Der Preis der Freiheit
Von Elodie Sierro
Der Kampf für das Recht auf Land in Guatemala
Während meines Einsatzes als Menschenrechtsbegleiterin bei PWS/ACOGUATE in Guatemala hatte ich die Gelegenheit, eine indigene Gemeinschaft bei ihrem Landrechtsstreit zu begleiten.Aufgaben im Einsatz in Guatemala:
Als Mitglied des internationalen Konsortiums ACOGUATE: Schutzbegleitung von Menschenrechtsverteidiger*innen sowie von Zeug*innen in Menschenrechtsprozessen und von Gemeinschaften, die sich für ihr Land und den Schutz der natürlichen Ressourcen einsetzen.Die lokalen Landbesitzer sehen diesen Landrechtskampf jedoch nicht gerne. Sie versuchen ihn deshalb zu verhindern und zögern nicht mit der Anwendung von Gewalt, um ihre Ziele zu erreichen. Diese Gewalt äussert sich zum einen in physischer Gewalt gegenüber einzelnen Personen, zum anderen in der Kriminalisierung des Landrechtskampfes der indigenen Gemeinschaft: Mehrere Mitglieder der Maya-Gemeinschaft wurden in Untersuchungshaft genommen und warteten monatelang auf ihren Prozess.
Was mich am meisten beeindruckte, war die Stärke und der Mut der Gemeinschaft: Einerseits der Gefangenen, denen die Freiheit für ein Verbrechen entzogen wurde, das sie nicht begangen hatten, andererseits auch der anderen Gemeinschaftsmitglieder, die weiter für ihre Rechte kämpften (und immer noch dafür kämpfen), obwohl sie ständig bedroht wurden. Und tatsächlich: Die Regierung droht, greift an, foltert und tötet! Dies schien mir undenkbar, als ich in Guatemala ankam, aber ich erkannte schnell, dass dies die harte Realität war.
Meine Rolle als internationale Menschenrechtsbeobachterin
In diesem Kontext ist die Arbeit von PWS/ACOGUATE wertvoll. Die schützende Präsenz von Menschenrechtsbeobachter*innen und -begleiter*innen ermöglicht es den Guatemalteken, ihre Arbeit als Menschenrechtsverteidiger*innen fortzusetzen. Durch unsere Anwesenheit schaffen wir eine internationale Visibilität. Die Welt erfährt, was in Guatemala passiert. Dies hilft physische und strukturelle Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen zu begrenzen und hält Aggressoren davon ab, Gewalt anzuwenden.
Als Menschenrechtsbeobachterin traf ich Mitglieder dieser Maya-Gemeinschaft bei Begleiteinsätzen in der Region, insbesondere bei Gefängnisbesuchen und bei den Gerichtsprozessen. Meine Aufgabe war es, die Gemeinschaft und insbesondere die Gefangenen und ihre Angehörigen zu begleiten. Neben unserer physischen Präsenz, konnten wir den Stimmen der Gemeinschaft bei den lokalen Politiker*innen, internationalen Organisationen und Mitgliedern des diplomatischen Corps Gehör verschaffen. Ziel war es, die Situation der Menschen sichtbar zu machen und Veränderungen zu bewirken.
Trotzdem fühlte ich mich angesichts von so viel Ungerechtigkeit oft hilflos und hatte Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass die Gemeinschaft durch meine blosse Anwesenheit unterstützt sein könnte . Lächelnd und zielstrebig verloren die begleiteten Menschen ihr Ziel nie aus den Augen: die Einforderung von Gerechtigkeit und ihrer Rechte. Frauen und Männer, die ihr Leben riskieren, um ihr Land zu verteidigen.
Diese Menschen kämpfen seit Jahren und ihr Kampf wird leider wohl noch viele Jahre andauern. Die Präsenz von Menschenrechtsbeobachter*innen gibt ihnen Kraft, sie fühlen sich begleitet und haben eine Schulter, auf die sie sich stützen können.
Ich freue mich, dass ich einen kleinen Beitrag zur Unterstützung dieser Maya-Gemeinschaft leisten durfte. Ihre Stärke und Entschlossenheit werden mir immer in Erinnerung bleiben. Die in Guatemala gemachten Erfahrungen inspirieren mich täglich und geben mir die Energie, um für eine bessere Welt zu kämpfen.
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[1] In Zentralamerika ist der Ausdruck „Madre Tierra“ Teil der Maya-Kosmologie, eine Weltanschauung, in welcher Respekt und Schutz der Mutter Erde im Mittelpunkt steht. Es ist der Ort, an dem das Leben aller Lebewesen seinen Ursprung hat. Dieses Wissen wird von Generation zu Generation weitergegeben. Die Verbindung zur Natur ist stark.