Herzensgut und dennoch verurteilt – der Fall des Padre Florentino Hernández im Süden von Honduras
Von Kathrin Klöti
Aufgaben im Einsatz in Honduras:
Physische und telefonische Begleitung von ländlichen Gemeinden, ihren Basisorganisationen und von Menschenrechtsverteidiger*innen; Dokumentation und Berichterstattung für die PWS-Informationsarbeit, Kooperation mit anderen Akteur*innenEinstehen für mehr Gerechtigkeit und Mitbestimmung
Neben einer anhaltenden Dürre ist eine zentrale Herausforderung der Gemeinden im Einzugsgebiet des Padre Florentino Hernández die Mitsprache bei der Entwicklung der direkten Umgebung. Eine ausländische Minengesellschaft plant auf dem Gebiet der Gemeinden den Abbau von Gold. Vom honduranischen Staat hat sie dafür bereits die Konzession erhalten. Was zunächst als politisches Thema erscheinen mag, hat der Padre in seine seelsorgerische Arbeit aufgenommen: Seine Kirchgemeinde lehrt er, für ihre Rechte auf Anhörung und Mitsprache einzustehen, anstatt ‘nur’ vom Minenprojekt betroffen zu sein. Genau dies ist jedoch in einem Land wie Honduras, das von Armut, Ungleichheit, Korruption und Straflosigkeit für Privilegierte geprägt ist, keine Selbstverständlichkeit. Die Interessen der ländlichen Gemeinden werden notorisch ignoriert und die Einforderung ihrer Rechte kann rasch zu Kriminalisierung und Bedrohung führen.
Der Gerichtsfall
Während sich die Lokalbevölkerung in ihren Bestrebungen nach Gerechtigkeit und Mitbestimmung von ihrem Padre unterstützt fühlt, ist diese starke Verbindung zwischen Kirchgemeinde und Priester den Kirchenverantwortlichen ein Dorn im Auge – wohl, weil auch letztere nicht ganz unabhängig von den politischen und ökonomischen Machtverhältnissen im Land sind. Die Diözese ordnete darum die Versetzung des Padre in eine andere Gemeinde an. Dieser Entscheid wurde von den Mitgliedern der Kirchgemeinde nicht akzeptiert und Padre Florentino Hernández selber weigert sich, seine Kirchgemeinde zu verlassen. Das ist nach honduranischem Kirchenrecht zwar legitim. Trotzdem führte die Weigerung des Padres dazu, dass er von seiner eigenen Kirche wegen ‘Amtsanmassung’ angeklagt wurde.
Meine nächste Begegnung mit dem Padre sollte am Morgen der ersten Gerichtsverhandlung in der Stadt Choluteca sein. PWS begleitete ihn bereits auf dem Weg dorthin, und obwohl er verhältnismässig ruhig und gefasst schien, räumte er doch etwas Nervosität und Unbehagen ein. Die meiste Zeit der Fahrt verlief dann auch still, denn dem Padre war es ein Anliegen, einige Abschnitte in der Bibel zu lesen. In Choluteca erwartete uns vor dem Lokalgericht eine bemerkenswerte Menge von Personen, die aus El Triunfo angereist waren, um ihren Padre Florentino vor dem Gericht zu unterstützen: In mindestens fünfundzwanzig Schulbussen waren über knapp tausend Personen aus dem direkten Einzugsgebiet des Padres und den umliegenden Gemeinden angereist, um lautstark kundzutun, dass sie ihren Padre weiterhin als praktizierenden Priester und freien Menschen in ihren Gemeinden haben wollen.
An diesem Tag war meine PWS-Kollegin im Gerichtssaal präsent und ich blieb im Innenhof des Gerichtsgebäudes. Auch das ist eine wichtige Form der internationalen Präsenzmarkierung, denn es zeigt allen, die kommen oder gehen, dass dieser Fall von PWS begleitet wird. Die Menschenmenge, die für den Padre angereist war, blieb zwar durch ein Gitter vom Gerichtsgebäude getrennt. Die Leute waren jedoch laut und unüberhörbar; ihre Anwesenheit konnte im Gerichtsraum nicht unbemerkt bleiben. Ich war zutiefst beeindruckt und gerührt von dieser Kundgebung.
Bei einer weiteren Verhandlung nahm die Anzahl Unterstützer*innen vor dem Gericht sogar noch zu, und letztlich wurde der Padre freigesprochen. Dagegen legte die Klägerschaft umgehend Rekurs ein. Padre Florentino Hernández liess sich dadurch aber keineswegs einschüchtern: Meine nächste Begegnung mit ihm war an einer Demonstration gegen die ‘Sonderzonen für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung’ (ZEDE), an welcher er gemeinsam mit wiederum vielen Mitgliedern seiner Kirchgemeinde teilnahm.
Internationale Begleitung gegen die Kriminalisierung
Rückblickend kann ich sagen, dass mich – während meines Einsatzes für PWS in Honduras – viele, der von uns begleiteten Menschenrechtsverteidiger*innen und Gemeindemitglieder, berührt haben. Sie alle haben mich beeindruckt durch ihre Bescheidenheit und gleichzeitig durch die Bestimmtheit, mit der sie für ihre Rechte und die Rechte ihrer Gemeinschaften einstehen. Im Fall des Padre Florentino Hernández hat sich sogar seine eigene Institution – die Kirche – gegen ihn gestellt. Der Mut, trotz allem weiterhin für die Gerechtigkeit zu kämpfen, an die er glaubt, wird ihm jedoch, so denke ich, noch lange Kraft geben. Die internationale Begleitung in Honduras ist dabei von grosser Bedeutung. Sie trägt dazu bei, dass alle rechtmässig angehört, Gerichtsverfahren möglichst ordnungsgemäss durchgeführt und das Einfordern von Mitsprache nicht durch Kriminalisierung abgetan werden können.