«Gemeinschaften im Widerstand» – die Generalversammlung der CPR-Sierra.
Von Michael Kohli
Aufgaben im Einsatz in Guatemala:
Als Mitglied des internationalen Konsortiums ACOGUATE: Schutzbegleitung von Menschenrechtsverteidiger*innen sowie von Zeug*innen in Menschenrechtsprozessen und von Gemeinschaften, die sich für ihr Land und den Schutz der natürlichen Ressourcen einsetzenIch erinnere mich gut an die einigermassen beschwerliche Anreise und die ziemlich anstrengende Rückreise, während der wir in dem Bus ununterbrochen von christlicher Rockmusik inklusive Video wachgehalten wurden. Die Rückfahrt hatte wohlgemerkt um etwa 2 Uhr morgens begonnen und entsprechend wären wohl alle Passagiere auch ohne Musik bestens ausgekommen.
Zum Gedenken und zur Vernetzung
Abgesehen von diesen „Alltäglichkeiten“, die zum Leben von Menschenrechtsbegleiter*innen gehören, erinnere ich mich sehr gut an ein Gefühl freudiger Anspannung, welches die Vorbereitungen und die tatsächliche Begleitung in Santa Clara, Chajul umgeben hat. Einerseits war es die erste Generalversammlung der CPR seit vielen Jahren. Die Versammlung war einberufen worden, weil die Versprechungen der 1996 abgeschlossen Friedensverträge nach Ansicht der CPR nicht erfüllt worden waren. Diskriminierungen, Rassismus sowie krasse Ungleichverteilung von Land und Reichtum bleiben auch nach Ende des bewaffneten Konflikts bestimmende Faktoren der guatemaltekischen Gesellschaft. In Guatemala wird im Normalfall nicht von einem Bürgerkrieg gesprochen, sondern von einem „Conflicto armado interno“, also einem internen bewaffneten Konflikt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass sich während den kriegerischen Auseinandersetzungen 1960-1996 nicht zwei ebenbürtige Bürgerkriegsparteien gegenüberstanden. Es war vielmehr ein Krieg des guatemaltekischen Staates / Militärs gegen die eigene Bevölkerung und insbesondere gegen die indigene Bevölkerung Guatemalas, an der ein Genozid verübt wurde. Laut der guatemaltekischen Wahrheitskommission wurden während des Krieges über 200‘000 Menschen getötet, wobei 83% der Opfer Indigene waren und 93% der Menschenrechtsverletzungen von der Armee begangen wurden. Das Treffen war also nicht nur eine Veranstaltung, wo den immensen Opfern und Entbehrungen zu Zeiten des Krieges gedacht wurde, sondern auch eine Gelegenheit für zivilgesellschaftliche Akteure, um sich zu vernetzen und die Kräfte neu zu bündeln.Andererseits war ich mit einer Menschenrechtsbegleiterin unterwegs, für die es die erste Begleitung war, so dass ich in der Hauptverantwortung war. Natürlich wollte ich auch zeigen, was ich während meines Einsatzes gelernt hatte. Dazu kam, dass es sich um eine meiner letzten Begleitungen handelte. Gedanklich war ich dementsprechend schon intensiv damit beschäftigt meine Einsatzzeit in Guatemala zu verdauen und mir erste Überlegungen zu machen, was für mich danach kommen könnte.
Unsere Rolle als Menschenrechtsbegleiter*innen
Während der Begleitung waren meine Kollegin und ich in unserer typischen beobachtenden und etwas distanzierten Rolle. Dies war nicht immer einfach, denn die Veranstaltung umgab ein ausgeprägter revolutionärer Geist, welcher sich in den Voten der Teilnehmenden widerspiegelte. Ein Teil von mir hätte sich gerne davon mitreissen lassen, als uns als internationalen Begleiter*innen das Wort gegeben wurde und ich nach einigem Zaudern schliesslich aufstand, um etwas zu sagen. Es war jedoch völlig klar, dass es unser Mandat nicht erlaubte, uns politisch oder parteilich zu äussern. So war meine Wortmeldung verglichen mit den anderen ziemlich oberflächlich und vage. Ich bedankte mich für die Einladung und erklärte kurz, was unsere Aufgabe als internationale Begleiter*innen war.